Geschenkpapier der Zivilisation

Suomeksi – auf Finnisch: Pakkasesta uuniin, Sinkka 1/2012, s. 14 (Flash-sovellus)


Zuerst redeten die Arbeitskollegen an der Universität für Kunst und Design in Helsinki – der Künstler Mika Karhu und der Dramaturg und Regisseur Johan Eichhorn – über Philosophie, Psychologie und das Verhalten sozialer Gruppen. Von dort ging das Gespräch zu Eichhorns Buch Krieg in Europa über, welches von dem jugoslawischen Bürgerkrieg erzählt. Dabei entstand die Idee, dieses Thema auch künstlerisch zu verarbeiten. Das Ergebnis ist das Werk das Geschenkpapier der Zivilisation, welches in neun Schritten zeigt, wie eine Gesellschaft zerstört wird. In dem dazu gehörigen Video, zu dem Eichhorn das Drehbuch schrieb, geht man Schritt für Schritt wie in einem Unterrichtsfilm vor. Womit fängt man an, was kommt als nächstes, was als drittes. Eins, zwei, drei…

Das Geschenkpapier der Zivilisation. Was ist das? Was verdeckt es? Wieso ein Geschenk? - Was Menschen unter „Zivilisation“ verstehen, ist nur ein Geschenkpapier, eine allzu dünne Schicht, die leicht mit der Folge zerreißen kann, daß eine friedliche Gesellschaft in unterschiedliche Gruppierungen zersplittert. Wer – wie Eichhorn in seiner Auseinandersetzung mit dem jugoslawischen Bürgerkrieg – untersucht hat, was sich unter dem Geschenkpapier der Zivilisation verbirgt, ist froh, daß es dieses gibt. Ansonsten verwandelt sich ein friedliches Land schnell in einen Schauplatz ethnischer Säuberungen und Völkermord. Wenn das Geschenkpapier der Zivilisation zerreißt, vergiftet der Inhalt des Pakets die Menschen und das Land.

Das Unterrichtsvideo wird in einer großen rostigen Box gezeigt. Die Tür der Box war früher Bestandteil eines alten Fabrikofens. Man sieht die Spuren der Flammen an ihrer Innenseite und die Luke hat sich über die Jahre braun verfärbt. In diesen Ofen schicken die Künstler die Zuschauer, damit diese sich fragen, was eine Gesellschaft letzten Endes zusammen hält? Und worauf man aufpassen muß, damit das Geschenkpapier der Zivilisation nicht zerreißt.

Jenni Meskus, Kuratorin des Kunstmuseums Kerava

 
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